If you have come here to help me, you are wasting your time. But if you have come because your liberation is tied up with mine, let us work together.
Lilla Watson, australische Aktivistin
Ich bin ehrenamtliche Seelsorgerin beim Verein Soziale Gerichtshilfe und unterstütze Gefängnisinsassen.
2018 bis Ende 2019 habe ich diese Tätigkeit bei der buddhistischen Gefangenenbegleitungsgruppe Die Brücke der Österreichischen Buddhistischen Religionsgesellschaft ausgeübt.
Seelsorge ist kein unproblematischer Begriff, setzt er doch auf den ersten Blick den Glauben an eine wie auch immer geartete menschliche Seele voraus, den ich persönlich nicht teile. Ich verwende den Begriff dennoch, da er rechtlich und gesellschaftlich etabliert ist und mir in meiner Tätigkeit nützt. Andreas Hagn hat auf seiner Website den Begriff Seelsorge im buddhistischen Kontext anschaulich erklärt.
Für mich stimmiger ist der Begriff Contemplative Care, der in unserer Gesellschaft noch unbekannt ist und den ich gerne durch meine Übersetzung des Buches Contemplative Care. Wegbereiter der buddhistischen Seelsorge in den USA bekannter machen möchte.
In meiner Arbeit als Seelsorgerin im Gefängnis habe ich früh gelernt, dass es keinen „Helfer“ gibt und keinen, dem „geholfen wird“. Ich bin nicht „der gute Mensch“, der „zum bösen Menschen“ ins Gefängnis geht und ihm dann Hilfe anbietet im Austausch für Dankbarkeit, oder vielleicht sogar ganz ohne Austausch, ganz „selbstlos“. Mit dieser Vorstellung bin ich zunächst in die Haftanstalten gegangen und ich habe schnell gemerkt, dass das eine Illusion ist.
Sobald wir uns um jemanden kümmern, gehen wir eine Wechselbeziehung ein. Jeder gibt, jeder nimmt. Der gedachte Höhenunterschied zwischen dem Helfer „da oben“ und dem Geholfenen „da unten“ löst sich auf. Es gibt eine Trennung zwischen mir und meinem Gegenüber, aber gleichzeitig gibt es sie auch nicht. Wir begegnen uns auf Augenhöhe.
Diese Art des Kümmerns erfordert ständige Reflexion, ein ständiges Wachsein für das, was jetzt im Moment da ist. Indem ich andere in ihrem Leid begleite, begegne ich meinem eigenen Leid. Mein Weg, mit diesen Dingen umzugehen, sie zu transformieren und daran zu wachsen, ist Zen-Meditation und Qigong sowie ein ständiger Austausch mit Kolleginnen und Kollegen aus der Gefängnisseelsorge. Die von mir geleistete Seelsorge ist überkonfessionell. Auch wenn ich mich selbst im Zen-Buddhismus beheimatet sehe, müssen meine Klient*innen keinesfalls meine Weltanschauung teilen.
Gemeinsam mit Andreas Hagn und Freunden habe ich 1000 Hände ins Leben gerufen, einen Verein zur Förderung der Contemplative Care. Die Basis unserer Arbeit ist der Ansatz der Contemplative Care – füreinander da sein und gemeinsam ein kontemplatives Leben führen.